Laudatio auf die Stadt Flensburg

Preisverleihung Gender Award – Kommune mit Zukunft 2023

2. Preisträgerin in der Kategorie Kommune mit weniger als 100.000 Einwohner*innen

Laudatio von Dr. Dag Schölper, Bundesforum Männer, Geschäftsführer

 

Es ist ja so üblich, dass eine Laudatio damit beginnt, dass der Laudator, in diesem Fall also ich, den Namen, das Alter und den Wohnort des Laureaten nennt. Also:

Name: Flensburg.
Alter: 739.
Wohnort: Norddeutschland.

Der Anlass dürfte mittlerweile allen klar sein, es geht um den Gender Award für eine Kommune in der Kategorie „unter 100.000 Einwohner:innen“.

Für viele dürfte Flensburg der Ort am Ende der A7 sein. Aus Autofahrer-Perspektive ist Flensburg auch der Inbegriff für Punkte – im Verkehrs­sün­den­register des Kraftfahrt-Bundesamtes.

Ich nutze bewusst die männliche Form ‚Auto­fahrer‘. – Tatsächlich ist das eine Gender-Bemerkung wert. So berichtete die „Auto­presse“ im letzten Sommer:

„Männer sammeln fleißig Punkte in Flensburg. Und deutlich fleißiger als Frauen, denn der Anteil von Männern mit Punkten in Flensburg ist 2021 fast doppelt so hoch wie der von Frauen.“[i]

Heute erhält Flensburg den Gender Award, weil die Fördestadt seit über 30 Jahren Geschlech­tergerechtigkeit und Frauenarbeit als Gleich­stellungspolitik systematisch vorantreibt, struk­turell verankert und immer wieder innovative Projekte unterstützt.

Dieser Zweiklang von ‚Struktur hier und konkre­ter Praxis dort‘ spiegelt sich exemplarisch im Beitritt zur Europäischen Charta für die Gleich­stellung von Frauen und Männern (einerseits) und (zum anderen) im Aktionsplan „Geschlech­tergerechte Stadt“.

Die Jury hat beeindruckt, dass
a) Flensburg „Gender Budgeting“, also die geschlechtergerechte Verteilung von Haus­haltmitteln in vielen Bereichen umsetzt;
b) und dass (mindestens) in den städtischen Kitas konzeptionell gender-bewusst und möglichst klischeefrei gearbeitet wird –
und: bei Einstellungen werden Männer bei gleicher Eignung bevorzugt.

 Das macht für mich und aus Sicht des Bundes­forum Männer, für das ich in der Jury sitze, Flensburg zu einem Leuchtturm; genauso wie, dass hier eine der drei schleswig-holsteinischen Beratungsstellen für Männer unterhalten wird, die sexuelle und häusliche Gewalt erlebt haben. In Flensburg findet sich zugleich auch eines der 16 Frauenhäuser, die in SH zur Verfügung stehen, nebst Frauennotruf.

Diese Schutz- und Hilfe-Infrastruktur für Frauen und Männer sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht.

Ich bleibe noch kurz beim Gewaltschutz. Mit dem Projekt „Sich sicher fühlen – sich frei be­wegen in Flensburg“ trägt die Stadt dazu bei, nicht nur das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum zu erhöhen, sondern tatsächliche Gefahr­enräume zu beseitigen. Besonders ist hierbei die breite Einbeziehung der Einwohner* innen, die niedrigschwellig Orte an das Gleichstell­ungsbüro melden können, an denen sie sich persönlich unsicher oder unwohl fühlen. Das Gleichstellungsbüro sortiert und clustert die Rückmeldungen und leitet die Ergebnisse an die zuständigen Fachbereiche weiter. Wir als Jury fanden: Das ist ein herausragendes Beispiel für die Verschränkung von Gender, Gewaltschutz bzw. Sicherheit und Stadtentwicklung.

Und hieran knüpft unmittelbar eine weitere Flensburger Aktion an: die Stadt Flensburg setzt sich offensiv gegen diskriminierende und sex­istische Werbung im Straßenbild ein. Bei zu­künftigen Verträgen für Werbeflächen der Stadt wird diskriminierende und sexistische Werbung untersagt.

In Flensburg „ist der weibliche Anteil in städt­ischen Aufsichtsräten mit 47 % fast ausgewo­gen.“[ii] Damit befindet sich die Stadt ebenfalls in einer Vorreiterrolle und zeigt, was die neue Normalität sein sollte! Daran kann sich vor allem die kommunale Wirtschaft ein Beispiel nehmen und sehen: es geht! Dort tendiert der Anteil von Frauen im Top-Management nämlich gegen Null.[iii]
Vielleicht können Sie, sehr geehrter Herr Ober­bürgermeister Fabian Geyer, hier mit frischem Tatendrang Anreize setzen. Schließlich gab es in Flensburg schon einmal eine sehr bekannte, wenn auch umstrittene, aber unbestreitbar äußerst erfolgreiche Wirtschafts-Pionierin, die ab den 1950ern mit Liebes-Dragees, Kondomen und Negligés aus ihrem „Versandhaus Beate Uhse“ reich wurde, aber auch engagiert zu einer offeneren und freieren Gesellschaft beigetragen hat. Ich muss hier jetzt einen Punkt setzen. Und Sie können nun raten, wieviel Punkt ich wohl in Flensburg habe.

Wir freuen uns als Jury der Stadt Flensburg den Gender Award überreichen zu dürfen und bitten Marie Sprute, die Gleichstellungs­beauftragte aus Flensburg

[i] https://auto-presse.de/autonews.php?newsid=6516508 [zuletzt 25.01.2023].

[ii] https://www.flensburg.de/Politik-Verwaltung/Stadtverwaltung/Gleichstell… [zuletzt 25.01.2023].

[iii] Vgl. https://www.spiegel.de/karriere/frauen-in-fuehrungspositionen-frauen-in… [zuletzt 25.01.2023].