Gewalthilfegesetz und Neuregelung §218: Brief an Bundestagsabgeordnete

Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter, sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete, sehr geehrte Parlamentarier*innen!

Wir wenden uns heute mit diesem offenen Brief an Sie, weil wir befürchten, dass wichtige – im Koalitionsvertrag bereits vereinbarte – gleichstellungspolitische Gesetze und Vorhaben nicht mehr bis zu der Bundestagswahl im Februar verabschiedet werden. Die Gesetzesentwürfe liegen nach langen Beratungs- und Beteiligungsprozessen vor und weisen die Beschlussreife durch das Parlament auf. 

Es besorgt uns sehr, dass zum Beispiel das dringend notwendige Gewalthilfegesetz hinausgezögert wird. Angesichts der dramatisch steigenden Gewalt gegen Frauen und viel zu wenigen Frauenhausplätzen ist die Verabschiedung des Gesetzes akut nötig. Das zeigt auch der gerade veröffentlichte Bundeslagebericht „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“
Die Zahlen sind so dramatisch wie unerträglich:

•    180.715 Frauen wurden als Opfer häuslicher Gewalt erfasst – 5,6 Prozent mehr als 2022.
•     52.330 Frauen und Mädchen wurden Opfer von Sexualstraftaten - 6,2 Prozent mehr als 2022.
•    17.193 Frauen waren von digitaler Gewalt betroffen - 25 Prozent mehr als 2022.
•    938 Tötungsdelikte an Frauen wurden von der Polizei registriert, neun mehr als im Jahr zuvor.
•    360 Frauen und Mädchen wurden ermordet, bei 247 dieser Opfer handelte es sich um Häusliche Gewalt.

Alle 3 Minuten erleidet eine Frau in Deutschland häusliche Gewalt, fast jeden Tag stirbt eine Frau an den Folgen der Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner, ca. 14.000 Frauenhausplätze fehlen in Deutschland, die jährlichen Folgekosten häuslicher Gewalt betragen in Deutschland ca. 54 Mrd. Euro.
Wir möchten Sie persönlich darum bitten, für das Gewalthilfegesetz noch in dieser Legislatur zu stimmen – unabhängig von Ihrer Parteizugehörigkeit – denn der Schutz von Frauen vor Gewalt ist, insbesondere vor dem Hintergrund der Istanbul-Konvention, eine staatlich verpflichtende Aufgabe und rettet Leben. Bitte tragen Sie dazu bei!

Wir bitten Sie auch um Ihre Stimme für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. § 218 StGB kriminalisiert ungewollt Schwangere und schränkt das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper und ihr Leben massiv ein. Die von der Bundesregierung eingesetzte, unabhängige Expert*innenkommission ist bereits im April zu einem eindeutigen Schluss gekommen: § 218 StGB verstößt gegen verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und europarechtliche Vorschriften. Ungewollt Schwangere müssen oft hunderte Kilometer zurücklegen, um einen Abbruch vornehmen lassen zu können. Seit 2023 ist die Anzahl der Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, um 40 Prozent auf nur noch 1200 in ganz Deutschland gesunken (Statistisches Bundesamt). Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich die Abschaffung von §218 aus dem Strafgesetzbuch: Mehr als 80 Prozent halten es für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, zwar straffrei aber weiterhin als rechtswidrig gilt (BMFSFJ, 2024). Rund 75 Prozent finden zudem, dass Abbrüche künftig nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden sollten. 
Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass der aus dem Jahre 1871 stammende Paragraph endlich abgeschafft und an die Wünsche der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung angepasst wird.


Wir und Millionen von Frauen und Männer zählen auf Sie!
Über Ihre Antwort freuen wir uns!

Dr. Marie-Luise Löffler
Und Angelika Winter
Bundessprecherinnen
 

Ihre Sorgen um den Schutz von Schwangeren und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen teile ich in vollem Umfang.

Ungewollt schwangere Frauen brauchen zeitgemäße Regelungen für den
Schwangerschaftsabbruch.
Ich spreche mich sehr klar für eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechts,
eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und eine bessere

Für Die Linke im Bundestag ist klar, wir brauchen ein Gewalthilfegesetz, nicht irgendwann, sondern jetzt und sofort. Das fordern wir von der Regierung schon lange. Die Finanzierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen darf nicht länger eine freiwillige Leistung sein.